Blechspielzeug

Um 1890 entstanden die ersten industriell gefertigten mechanischen Spielzeuge. Der neuartige Lithographiedruck erlaubte, die zuvor von Hand lackierten Objekte, zu deutlich günstigeren Preisen, in größeren Stückzahlen anzubieten. Auch wurden ihre Einzelteile nicht länger aufwändig verlötet, sondern mit Hilfe kleiner Metallösen verlascht. Diese neuartigen Spielzeuge waren anfangs nicht besonders raffiniert, sondern vor allem eines: billig. Penny-Toys wurden im Schock angeboten und waren für den massenhaften Absatz bestimmt. Da Autos, Motorräder und Flugzeuge noch auf ihre Erfinder warten mussten, machten mechanische Tiere vor ihnen das Rennen. Jenseits der profanen Massenware konnten verschiedene Hersteller ausgeklügelte Qualitätsprodukte auf dem internationalen Markt etablieren. In industriellem Maßstab produzierten sie kleine technische Wunderwerke, die sich zumeist mit Hilfe eines Schlüssels von Kinderhand zum Leben erwecken ließen.

Mit der fortschreitenden Erschließung sämtlicher Erdteile erregten neu entdeckte, fremde Tierwelten ein wachsendes öffentliches Interesse und auch die ungeheuerlichen Behauptungen Charles Darwins regten dazu an, unsere nun gar nicht mehr so weit entfernten Verwandten etwas genauer zu betrachten. Museen und naturkundliche Sammlungen verstanden es schon damals als ihre Aufgabe, aktuelle Erkenntnisse wissenschaftlich fundiert und anschaulich zu vermitteln. Zoologische Gärten standen zudem im Wettbewerb, sich mit einem möglichst exotischen Tierbestand gegenseitig zu übertreffen. Von der wachsenden Popularität der Tierwelt versuchten auch Industrie und Handel zu profitieren und steigerten sie damit auf ihre Weise. Es verwundert nicht, dass die frühe Produktreklame einem bunt bevölkerten Tierpark glich, in dem Frösche für Schuhcreme warben, Elefanten für Tee und Hunde für Schokolade und Zigaretten. In den damals weit verbreiteten Sammelbilderalben waren Tiere ebenfalls ein allgegenwärtiges Thema. Diese Werbemittel hatten einen erheblichen pädagogischen Wert, denn sie vereinten in sich den Wissensschatz breiter Bevölkerungsschichten. Vor diesem Hintergrund ist es leicht verständlich, dass auch die Spielzeughersteller alles daran setzten, mit einer artenreichen Tierwelt die Kinderzimmer zu erobern. Im Gegensatz zu Stoffbären oder Schaukelpferden erschienen Blechtiere jedoch immer etwas sperrig und eigen, sowohl in ihrem Wesen, als auch in ihrer Funktion. Man konnte weder ausgelassen auf ihnen reiten, noch fanden sie am Abend auf dem Kopfkissen einen Platz. Wann immer aber sie sich klappernd in Bewegung setzten, schaute ihnen jeder staunend hinterher.

Neugier, Spieltrieb und Entdeckerfreude fanden in den mechanischen Blechtieren zueinander und paarten sich im besten Fall mit Erfindungsreichtum und solider Handwerkskunst. Diese Spielzeuge förderten ein mechanisches Verständnis der Dinge und forderten zugleich einen erwachsenen Umgang mit ihnen. Bereits dem kleinen Kinde geboten sie Rücksichtnahme und Fingerspitzengefühl, denn war der Schlüssel erst verloren, oder der Mechanismus überdreht, dann hatte der Spaß sein Ende.

Deutschland hatte sich frühzeitig zu einer Hochburg der Blechspielwaren-Industrie entwickelt. Die benachbarten Städte Nürnberg und Fürth bildeten mit einer Vielzahl von Herstellern (Issmeyer, Schuco, Gama, Köhler, Arnold etc.) deren Zentrum. In der Stadt Brandenburg, im fernen Preußen, entwickelte sich die Firma Ernst Paul Lehmann nach 1888 zu einem der innovativsten Unternehmen der Branche. Geliefert wurde in aller Herren Länder. Blechspielzeug »Made in Germany« wurde weltweit ein Begriff. Davon unbenommen konnten sich auch andernorts namhafte Hersteller etablieren, wie etwa Louis Marx und J. Chein in den USA, Joustra und Vebe in Frankreich und Mobo in England. Während des II. Weltkrieges wurden auch die deutschen Spielwarenhersteller zur Kriegsproduktion herangezogen. Als es danach ans Aufräumen ging, schienen die großen Zeiten des Blechspielzeuges vorüber. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte es dennoch eine letzte große Renaissance. Allerdings gelang es nur noch wenigen Unternehmen, sich gegen die aufkommende japanische Konkurrenz zu behaupten. Verstand man sich dort anfangs auf das Kopieren beliebter Klassiker, setzten Firmen wie Mikuni, Modern Toys und Yone alsbald mit neuartigem Batteriebetrieb und spektakulärem Design ganz eigene Akzente. Dieser letzten Blütezeit folgte ein rascher Niedergang. Als  buntes Plastik die Herrschaft in den Kinderzimmern übernahm, hatte traditionelles Blechspielzeug endgültig ausgedient. Mechanische Blechtiere gelten seither als eine bedrohte Spezies. Allein in der Obhut engagierter Museen und liebevoller Sammler scheint ihr Überleben gesichert.